Heute geht es los mit dem MOOC zur digitalen Gesellschaft an der FernUniversität in Hagen. Thema der ersten Woche ist der sagenumwobene „Homo Zappiens“, der sich nun auch an die Hochschule verirrt hat. Was ist damit gemeint und warum sollte die Hochschule sich damit auseinandersetzen?
Wie es für einen „ordentlichen“ MOOC üblich ist, gibt es dazu auch einen Impulsvortrag. Damit soll die Diskussion gestartet werden verbunden mit dem Aufruf zur Entwicklung von Szenarien für die Zukunft des Lehrens und Lernens. Das ist eine spannende Aufgabe, da die Zukunft irgendwie immer offener wird (Postmoderne), gleichzeitig scheint jedoch auch die Technik immer wichtiger zu werden, daher sprechen wir ja von einer „Digitalen Gesellschaft“. Gerade der letztgenannte Punkt, d.h. die zunehmende Abhängigkeit von Technik – so jedenfalls nehme ich es wahr – sollte meiner Meinung nach stärker hinterfragt werden.
Dazu gibt es einen sehr lesenswerten Artikel von Edward C. Hamilton und Norm Friesen mit dem Titel „Online Education: A Science and Technology Studies Perspective„. Die Autoren unterscheiden darin zwei Verwendungsweisen wie Technik im pädagogischen Diskurs, besonders im Zusammenhang von „E-Learning“, verwendet wird:
- Essentialistische Verwendung: Technik wird als unabhängige und eigenständige „Kraft“ gesehen und steht vor der Umsetzung bestimmter pädagogischer Prinzipien. Charakteristisch ist die Annahme, dass Technik bestimmte, abstrakte Prinzipien beinhaltet, die sich bei der Implementierung in konkreten pädagogischen Settings „automatisch“ auf die beteiligten Personen übertragen. So beispielsweise „konstruktivistische Lernumgebungen“, die unabhängig von der konkreten Situation die gewünschten Ziele erreichen. Problematisch an dieser Position ist der Glaube, wonach Technik bestimmte pädagogische Werte besitzt, denn damit lässt sich Technik für alle erdenklichen Zwecke einsetzen, ohne genauer zu prüfen, ob die Voraussetzungen und Begleitumstände dafür stimmen.
- Instrumentelle Verwendung: Technik wird hier an bestimmte pädagogische Zwecke (Inhalte vermitteln, Wissen überprüfen etc.) gekoppelt und soll diese „umsetzen“. D.h. es wird zunächst mithilfe einer pädagogischen Theorie ein bestimmtes Ziel identifiziert und dann nach einer bestimmten technischen Lösung gesucht, wie diese zu erreichen ist. Technik wird damit instrumentalisiert, also dem pädagogischen Ziel untergeordnet und steht im Gegensatz zur ersten, essentialistischen, Position.
Mir hat diese Unterscheidung bei der Beurteilung des aktuellen MOOC-Hypes geholfen. Man hört sehr oft von der Forderung, dass sich traditionelle Lehr- und Lernmethoden, die seit langer Zeit an der Hochschule verwendet werden, radikal ändern müssen, weil wir jetzt ganz neue technische Möglichkeiten haben. So z.B. Peter Norvig in seinem TED TALK „The 100,000-student classroom“.
Warum eigentlich?
Genauer betrachtet handelt es sich hier um eine essentialistische Position, d.h. es wird angenommen, Technik sei so mächtig, dass sich alles andere und damit auch die Pädagogik daran orientieren müsse. Daher „müssen“ wir ja auch dringend angestaubte Methoden wie die Vorlesung zugunsten innovativer Verfahren wie „Flipped Classroom“ abschaffen.
Hilfreicher wäre es meiner Meinung nach jedoch, genauer zu prüfen, welche Methoden mit welcher Form der Technik am Besten umgesetzt werden könnte, ohne ungeprüft die Überlegenheit einer Komponente (Technik > Pädagogik; Pädagogik > Technik) zu unterstellen.
mein langer kommentar dazu ist hier: https://plus.google.com/u/0/102484891814321353019/posts/WjfLKbqfVKB
kurz nur: ich verstehe nicht, wie sich die schlussfolgerung am ende genau von der Position B (der pädagogischen technik-verwendung) unterscheidet: „welche methoden mit welcher technik umgesetzt werden können“?
Danke für die ausführliche Rückmeldung auf google+.
Meine Schlussfolgerung ist ein Mittelweg aus A und B, in dem Sinne dass Technik schon beim Design pädagogischer Projekte einbezogen wird und nicht als „fertige“ Lösung (A oder B) betrachtet wird.