OER auf der Learntec: Ist das ein Widerspruch?

Nach einjähriger Pause war ich heute wieder auf der Learntec, da ich mich erfolgreich mit einem Vortrag zum Thema „„Open Education, Offenes Lernen und Offene Bildung. Oder: Willkommen in einer schönen neuen Welt?!“ auf dem Kongress beworben habe. Ich plante, die aktuellen Entwicklungen um Open Courses und MOOCs kritisch zu beleuchten, aber auch mit Hilfe eines  bildungstheoretischen und philosophischen Blicks aufzuzeigen, welche Chancen und Risiken sich dahinter verbergen. Gespannt war ich auf die Reaktionen, da die Learntec entgegen ihres vermittelten Selbstverständnisses („IT Leitmesse“) eigentlich eher konservativ auf „klassisches“ E-Learning setzt. Innovationen kommen dabei leider eher wenig vor.
Als dritter Referent in der Session „Social Media Learning“, die sehr gut von Lutz Goertz moderiert wurde, warte ich in einem sehr vollen Saal auf meinen Einsatz. Zunächst waren einige technische Hürden zu überwinden, da ich und da sind wir wieder beim Thema Innovation nicht mit Standard PowerPoint präsentieren wollte, sondern mit Prezi. Doch die Learntec Techniker schafften es, dafür nochmal vielen Dank.
Mein Vortrag legt folgende Argumentation zu Grunde:

  1. Aufzeigen aktueller Entwicklungen (MOOCs), die zur Gründung von Coursera und Udacity führten und die einen riesigen weltweiten Hype auslösten
  2. Rückblick auf die Historie von Open Education: 60er und 70er Jahre, Kampfbegriff, wenig empirische Evidenz, Scheitern
  3. Revival durch OER ab 2001 mit MIT OCW und UNESCO
  4. OER sind aber keine Bildung, daher Versuche, damit kreativ zu arbeiten. Ab 2008 starteten daher die MOOCs als offene digitale Architektur für weltweite Kollaboration
  5. Ein Schritt zurück: MOOCs werden wieder in ein geschlossenes System gepresst und als Open Courses verkauft
  6. Aufzeigen, welche Bildungspotentiale MOOCs haben und welche Gefahren sich durch die Verwässerung der Open Prinzipien ergeben. Es kommt hier zu einer Kommerzialisierung und Kommodifizierung: Bildung wird zur Ware, die man möglichst profitabel verkaufen möchte
  7. Durch das Einsperren in Käfige wie OpenCourseWorld werden die Möglichkeiten für tatsächliche Bildung im Sinne einer Persönlichkeitsbildung untergraben und verschenkt. Durch die Angabe „Kostenfrei“ wird suggeriert, dass es sich dabei um einen „echten“ MOOC handelt. Das ist jedoch keineswegs der Fall, wie ein Blick in die Nutzungsbedingungen aufzeigt. Das Einführungsvideo steht eben nicht unter einer freien Lizenz, sondern unter der Standard Youtube Lizenz.
  8. Meine Schlussfolgerungen daraus sind: Wir brauchen bessere Kenntnisse über die historische Entwicklungen von Open Education, um die aktuellen Trends besser einschätzen und bewerten zu können. Wir brauchen Konzepte für tatsächliche offene digitale Bildung und Mut, diese auch umzusetzen und damit den Verlockungen auf schnellen Profit zu widerstehen. Dass es auch anders geht versuche ich z.B. mit Verweis auf den Mechanical MOOC aufzuzeigen.

 
Die rege und ausgiebige Diskussion im Anschluss zeigte auf, dass damit wichtige Themen erörtert wurden, die uns noch für längere Zeit bewegen. Wie auf Twitter gerade gemeldet wurde, soll OER/MOOC zum „Leit“-Thema für die Learntec 2014 werden, passend zur Leitmesse also.
 

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Keine Kommentare

  1. Hallo Markus!
    Zu Punkt 6 (Verwässerung der Open Prinzipien) fällt mir spontan eine Diskussion ein, die in der OER-Gruppe bei der Abschlussveranstaltung der 7. Initiative des Collaboratory aufkam. Dabei ging es um fehlende Konzepte zur Monetarisierung. Zwar gestaltet die sich je nach Segment (Hochschule, Schule, Weiterbildung, …) anders, aber trotzdem gibt es sicher einige Gemeinsamkeiten. Ich denke diejenigen, die Bildungsmaterialien (im weitesten Sinne) anbieten, könnten eine Menge von der Bewegung lernen, die den Ursprung der Open Prinzipien begründet hat. Ich meine jetzt nicht die Wissenschaft mit ihrem humboldtschen Ideal, sondern die Bewegung rund um Freie und Open-Source-Software. Hier haben sich außerdem Konzepte zur Finanzierung herausgebildet und etabliert. Hier wie dort liegen die Informationen und das Wissen bereis vor. Einmal als Quellcode und einmal als klassisches Wissen. Die Dienstleistung sollte somit entsprechende Aufbreitung und didaktische Anpassung dieser sein. Bearbeitet jemand z.B. aus der Community dann die freien Materialien und veröffentlicht sie, profitieren davon auch die professionellen Anbieter. Ich kann Dir also zu Punkt 8 voll und ganz zustimmen.
    Viele Grüße
    Sebastian

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