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Für die Eilligen: Ich war zu Gast bei „Jöran ruft an“ und habe in ca. 5 Minuten erzählt, was mir in Offenburg passiert ist.
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Das letzte Wochenende war einigermaßen aufreibend für mich, denn ich war zu Gast bei der Gesellschaft für Bildung und Wissen, die zur Fachtagung future iii (Beispiel Schule und Unterricht) nach Offenburg geladen hatte. Dass ich dort präsentieren durfte, hat eine längere Vorgeschichte.
Ich war genau vor einem Jahr schon bei einer future iii Tagung – damals zum Thema Digitalisierung und Hochschule –  und nachhaltig erschüttert darüber, mit welcher negativen Grundhaltung dort vorgetragen und diskutiert wurde. Mit dem Organisator Ralf Lankau suchte ich das Gespräch, um dieser geballten Wucht an Abwehr-Rhetorik etwas Positives entgegen zu setzen. Wir blieben lose im Kontakt und vor einigen Monaten fragte er dann an, ob ich dieses Jahr bei future iii vortragen möchte. Ich nahm das gerne an und plante insgeheim schon eine subversive Aktion.
Diese begann damit, dass ich meinen Vortragstitel möglichst langweilig wählte, um ja keinen frühzeitigen Verdacht an meinen wahren Absichten aufkommen zu lassen. Der Titel war also der Trojaner, damit ich ins Programm komme. Als ob das nicht schon bedenklich genug ist, setzte ich noch einen drauf und startete vor einem Monat eine Call for Participation. Ich wollte nicht nur positive Beispiele der Digitalisierung für die Bildung aufzeigen, sondern auch demonstrieren, dass man sehr wohl im Netz kollaborativ arbeiten kann. Dazu stellte ich meine Google Slides offen ins Netz und bat alle Interessierten, sich dort kreativ auszutoben. Das wurde auch sehr gut angenommen – Danke dafür an alle Beteiligten! – und ich hatte viel Material zum präsentieren.
Die Veranstaltung begann am Samstag nach den obligatorischen Grußworten mit einem Grundsatzvortrag „Das Lehrer-Schüler-Verhältnis als pädagogische Grundrelation“ von Jürgen Rekus vom KIT. Er leitet dort die Abteilung für Allgemeine Pädagogik und beschäftigt sich somit mit ganz grundsätzlichen Fragen der Pädagogik, was man der umfangreichen Vortrags- und Publikationsliste entnehmen kann. Wenn man jetzt annehmen würde, dass die Digitalisierung mittlerweile auch ein grundsätzliches Thema geworden ist, wurde man enttäuscht. Rekus gab den Oberlehrer und tat alles Digitale mit einer Mischung aus Ignoranz und Arroganz ab (als Randnotiz: Er sprach konsequent von MOKs, und nicht von MOOCs, wobei es ja auch nicht LOP, sondern LOOP heißt).
Für mich ist diese Elfenbeinturm-Einstellung sehr bedenklich für die Bildungswissenschaft (zu der ich ja auch gehöre), aber das ist ein anderes Thema:=) Rekus stellte mit seinem Vortrag die Weichen sehr eindeutig in Richtung der radikalen Anti-Digtalstimmung, die sich über den gesamten Tag zog. Dementsprechend kamen mir auch (leise) Zweifel, was mich später (mein Vortrag war im letzten Block ab 15 Uhr angesetzt), erwarten wird. Meine Vorahnungen sollten noch übertroffen werden.
Es ging erstmal weiter mit Abwehrthemen, wie der Mediensucht und einem Programm zur Medienprävention. Das sind auf jeden Fall wichtige und unterstützenswerte Themen. Meine Kritik geht auch gar nicht gegen diese oder andere Projekte, sondern gegen die Art, wie diese für die Tagung future iii instrumentalisiert wurden. Das Netz wird als Popanz des Bösen aufgebaut, vor dem wir die Kinder unbedingt zu schützen haben.
Irgendwann war ich dann an der Reihe und es sollte ein denkwürdiges Ereignis werden. Doch der Reihe nach. Ich ließ die Hosen runter und offenbarte meinen Trojaner, dass ich über etwas völlig anderes reden würde, was angekündigt wurde. Das kam auch zu Beginn gut an und ich hatte die Lacher auf meiner Seite. Doch spätestens als ich zur Kritik an Manfred Spitzer ausholte, kippte die gute Stimmung. Ich hatte es nämlich gewagt, den Säulenheiligen öffentlich zu kritisieren. Dass es mir (wieder) nicht ausschließlich um die Inhalte, sondern um die Art, wie Spitzer sein Narrativ „digitale Demenz“ aufbaut, ging, wurde verdrängt. Mein anderer Angriffspunkt war Jörg Dräger mit seinem Narrativ „digitale Bildungsrevolution“.  Hier gab es bezeichnenderweise überhaupt keine Kritik an meiner Kritik.
Nach dem Ende der Session (mit weiteren Vorträgen von Jörn Loviscach und Ralf Lankau) kam es dann zur Frage-und-Antwort-Runde, die in meinem Fall eher einem Tribunal glich. Es wurde eine regelrechte Inquisition zu meiner Person (meinen Werten und meinem Standpunkt) veranstaltet, die mich an meine Anhörung zur Kriegsdienstverweigerung bei der Bundeswehr erinnerte. Mir wurde im Verlauf des Verhörs auch vorgeworfen, mich mit dem militärisch-industriellen-Komplex bzw. der Bertelsmann Stiftung gemein zu machen. Spätestens hier fiel ich vom Glauben ab, da ich in meinem Vortrag detailliert meine Auseinandersetzung mit eben dieser Stiftung im Rahmen meines Artikels „Die erfundene Revolution“ ausführte.
Hört man mir also nicht zu? Nein, ich denke, dass einige Teilnehmer/innen meine Haltung des offenen Umgangs mit der Digitalisierung gepaart mit einer großen Portion Kritik nicht verarbeiten können. Es passt nicht ins Weltbild des bösen, überwachungsgeilen, manipulativen Internets. Wenn ich dann Projekte wie den MOOC „Aussprachetraining für syrische Deutschlerner“ vorstelle oder auf die Philosophie von OER eingehe, gibt es dafür keine Kategorien. D.h. es ist anscheinend nicht möglich, dies als etwas Positives zu verbuchen, weil dadurch das eigene Weltbild in Frage gestellt werden müsste. In der Psychologie nennt man das übrigens kognitive Dissonanz.
Auch mein Schlusswort „Sapere aude!“ konnte so nicht seine Wirkung entfalten und es blieb für mich ein durchwachsener Eindruck der Tagung. So fand ich es gut, dass sich die GBW dem Diskurs überhaupt stellt. Weniger gut finde ich, dass oft sehr persönlich und nicht sachlich diskutiert wurde. Dennoch wurde mir durch vereinzelte Wortbeiträge deutlich, dass ich mit meiner Kritik am Diskurs „digitale Bildung“ – es dominieren die lauten Spitzers und Drägers und nicht die vielen kleinen, tollen Medienprojekte – doch nicht so ganz falsch lag.

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