Im Nachgang zur #OERde13 (siehe dazu auch unseren Beitrag zur FernUniversität) hier nochmals meine Thesen zum Streitgespräch mit Hannes Klöpper von iversity. (Hier gibt es zum „Live“ Streitgespräch eine Dokumentation.)
Massive Open Online Courses (MOOC) sind eines der aktuell am meisten und kontrovers diskutierten Themen im digitalen Bildungsbereich. Daher will ich mich nicht weiter mit der Vorrede (dafür gibt es hier eine lesenswerte Zusammenstellung der MOOC-Geschichte) aufhalten und direkt mit meinen Thesen einsteigen.
Es besteht zur Zeit noch ein erheblicher Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Kommerzielle MOOC-Anbieter übertrumpfen sich regelrecht mit Heilsversprechungen zur Wirkung digitaler offener Bildungsangebote:
- iversity: „Diesen Herbst beginnt das Online-Studium für alle! Wir bringen die Hochschullehre ins digitale Zeitalter. Mit unseren Kursen wird Online-Lehre interaktiv, kollaborativ und weltweit frei verfügbar.“
- Coursera: „Coursera is an education company that partners with the top universities and organizations in the world to offer courses online for anyone to take, for free. Our technology enables our partners to teach millions of students rather than hundreds. We envision a future where everyone has access to a world-class education that has so far been available to a select few. We aim to empower people with education that will improve their lives, the lives of their families, and the communities they live in.“
- Udacity: „Our mission is to bring accessible, affordable, engaging, and highly effective higher education to the world. We believe that higher education is a basic human right, and we seek to empower our students to advance their education and careers.“
Die Logik ist simpel und daher wohl auch so überzeugend. Denn wer kann schon ernsthaft etwas gegen das Argument „kostenfreie, qualitativ hochwertige Bildung für alle Menschen auf der Erde durch modernste Technologien“ haben? Doch die Frage ist keineswegs rein rhetorischer Natur und so lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen.
MOOCs vernachlässigen die Förderung digitaler Medienkompetenz und damit einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Für meine Argumentation möchte ich auf die Debatte um die hohen Dropout-Quoten bei MOOCs zurückgreifen. Auch mir ist klar, wie von vielen Beobachtern angemahnt, dass die Zahlen differenziert interpretiert werden müssen. Damit lässt sich aber auch folgern, dass ungenügende Medienkompetenz mitverantwortlich für die geringen Erfolgsraten ist. Denn wer überhaupt nicht über die Möglichkeiten verfügt, MOOCs nach eigenen Bedürfnissen zu nutzen, kann auch nicht als differenzierter MOOC NutzerIn bezeichnet werden.
Ich plädiere daher für eine stärkere Berücksichtigung der Medienkompetenz, im Sinne eines Lernens „How to MOOC“ (so wie es der gleichnamige MOOC vorgemacht hat) als Erweiterung zur aktuell stark geförderten Output-Orientierung. Ein anderes, aktuelles Beispiel, das zeigt, wie Medienkompetenz im MOOC berücksichtigt werden kann, liefert Khosrow Ghadiri, Professor an der San Jose State University. Sobald der Dozent merkte, dass die Lernhandlungen nicht den in der Technologie eingeschriebenen Erwartungen entsprachen, änderte er das Format. So z.B. wurden Videos in kleinere Häppchen unterteilt und dann gemeinsam besprochen. Ghardiri prägte dafür den Ausdruck „Talking Textbook“.
Die Legitimation von MOOCs is broken MOOCs bekommen nicht nur wegen dem vermeintlich überwältigenden Vorteil („kostengünstige, qualitativ hochwertige Bildung für die Massen“) zur Zeit enorm Aufmerksamkeit, sondern auch wegen dem damit konstruierten Narrativ „Education is broken„. Damit gemeint ist, dass das gegenwärtige Bildungssystem durch seine chronische Unterfinanzierung immer weniger in der Lage ist, Menschen den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft entsprechend vorzubereiten. Zu welchen Möglichkeiten Technik heute fähig ist, zeigten u.a. Sebastian Thrun und Peter Novrveig in ihrem 100.000 Studierenden Klassenzimmer. Da die Universität anscheinend nicht in der Lage ist, solche und andere Dinge öfter zu realisieren, musste ein Start-up her. So entstanden die großen Zwei (Udacity und Coursera), die zusammen mit edX und neuerdings auch Google einen MOOC-Markt bilden. Doch damit nicht genug, denn in immer größerem Maß schaltet sich nun auch die Politik ein. Sowohl in Kalifornien wie auch in Florida gab es Pläne, MOOC-Credits äquivalent zu Credits in regulären Lehrveranstaltungen zu werten. Damit haben wir ein klassisches public-private-Partnership (PPP), d.h. das Bildungssystem wird nun mit einem System gekoppelt, das investierte Budgets wieder einspielen soll und im besten Fall Gewinn abwirft.
Der demokratisch legitimierte und staatlich überwachte und durchgeführte Bildungsauftrag wird damit, um in der Logik von „Education is broken“ zu bleiben, selbst gebrochen. Zu welchen Konsequenzen das führen kann, zeigt der Fall von Mitchell Duneier, einst als „Starprofessor“ von den Medien gefeiert. Als er angefragt wurde, seine MOOC-Kurse für andere Universitäten als „Blended Learning“ zu lizenzieren, lehnte er dankend ab:
“I think that it’s an excuse for state legislatures to cut funding to state universities,” he said. “And I guess that I’m really uncomfortable being part of a movement that’s going to get its revenue in that way. And I also have serious doubts about whether or not using a course like mine in that way would be pedagogically effective.”
Klar ist, dass kommerziell ausgerichtete MOOCs Geld, das für hochwertig erstellte und kostenlos angebotene Kurse benötigt wird, erwirtschaften müssen. Nur sollte dabei die Eigenlogik des Bildungssystem nicht vernachlässigt bzw. missachtet werden. Daher halte ich auch die von Clay Shirky postulierte Analogie von MP3 und MOOCs für falsch.
Ähnliches gilt für die Tsunami-These, wonach MOOCs die den eisernen Elfenbeinturm der Universität einreißen und damit endlich auch Bildung für die weniger Privilegierten anbieten. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich auch diese Argumentation als unvollständig, denn es sind gerade die finanzstarken US-Hochschulen der sog. Ivy-League, die mit der Befreiungsrhetorik auftrumpfen. Für Alastair Creelman sind MOOCs daher mehr ein Gletscher als ein Tsunami:
There’s a lot happening in education today and MOOCs are just one of many important new elements being experimented with. They’re all part of the glacier but I don’t believe that one element will lead to real change. The MOOC concept will fade into something else and we’ll see plenty of tsunami scares before we finally realize that change is more organic and less dramatic but the effects will be radical.
Update vom 23.09.2013
Mit dem Projekt #PB21 „Web 2.0 in der Politischen Bildung“ habe ich während der OER13 ein kurzes Interview zu meinen beiden Vorträgen geführt. Dazu ist nun dieser Podcast erschienen.
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