Diese Woche war ich auf zwei Veranstaltungen zur Zukunft der Hochschule (HFDCon und TURN24) und es ist keine Überraschung, dass KI das dominierende Thema war. In den Sessions gab es viel Gelegenheit, sich über den aktuellen Diskussionsstand zu informieren und zentrale Herausforderungen für die Integration von KI für die Hochschullehre zu identifizieren.

Ungefähr zeitgleich, am 05.11.2024, publizierte der italienische „Internet-Philosoph“ Luciano Floridi einen kurzen Beitrag mit dem provokanten Titel: Why the AI Hype is Another Tech Bubble.

Floridi, L. (2024). Why the AI Hype is Another Tech Bubble. Philosophy & Technology, 37(4), 128, s13347-024-00817-w. https://doi.org/10.1007/s13347-024-00817-w

Ich gehe erst auf die Thesen von Floridi ein und versuche diese dann auf den Hochschulkontext zu übertragen, um zu fragen ob uns die aufgeworfene Frage weiterhilft.

Floridi definiert Tech-Blase als „Martkphänomen, das durch ein schnelles und finanziell nicht nachhaltiges Wachstum bei der Bewertung technologiebezogener Vermögenswerte gekennzeichnet ist“. Durch die Begeisterung von Investoren an neuen Technologien entsteht eine Überbewertung der tatsächlichen Möglichkeiten und Überschätzung des Gewinnpotenzials. Trotzdem kommt es insbesondere durch Einsammeln von Risikokapital zu einem steilen Anstieg von Aktien, die allerdings nicht durch traditionelle finanzielle Metriken wie Return on Investment unterfüttert sind. Eine zentrale Rolle spielen auch die Medien und das öffentliche Interesse für die Produktion von Hypes.

Es komm, nachdem sich der Markt eine Zeit lang stark erhitzt hat, zu einem Zerplatzen der Blase, d.h. einer Marktkorrektur und einem rapiden Abfall der Unternehmenswerte. Die Investoren und Anleger ziehen sich enttäuscht zurück, dass es dem Unternehmen nicht gelang, die (zu hohen) Erwartungen zu erfüllen und das gehypte Produkt nicht liefern konnte.

Historisch betrachtet gab es zuletzt die folgenden Tech-Blasen:

1.) Dot-Com-Blase auch der Archetyp für das Phänomen Tech-Blase

2.) Blase in der Telekommunikationsindustrie

3.) Chinesische Tech-Blase

4.) Kyrptowährungsblase

5.) Tech-Aktienblase

Aus allen geplatzten Blasen lassen sich Lehren ziehen (z.B. es brauch stabile Geschäftsmodelle), die jedoch oft nicht gezogen wurden und so kann der nächste Hype kommen. Allen Blasen gemein sind folgende Charakteristika

a) A disruptive technology at the core. A bubble centres around a technology with the potential to revolutionise multiple industries, other technology (synergetic effect), and the tendency to cause tunnel vision.
b) Speculation outpacing reality. In a bubble, market excitement and investment outpace the actual development and implementation of the technology, its long- term usefulness, and sustainable profitability.
c) New valuation paradigms. Traditional financial metrics tend to be discarded in favour of new, unorthodox and often flawed measures of value.
d) Retail investor participation. Since the Cryptocurrency Bubble, a significant involvement of individual investors, often motivated by FOMO, has become a significant feature.
e) Regulatory gap and lag. Regulatory frameworks are absent in a bubble and/or
struggle to keep pace with technological and market developments.

Zusammen mit den allgemeinen Kriterien für eine Tech-Blase ergibt sich daraus für Floridi das Bild, dass der aktuelle KI-Hype „another tech bubble in the making“ ist. Der Launch von ChatGPT von Open AI war dafür der „perfect storm“ für überzogene Erwartungen und hohe Investments. Dazu beigetragen hat insbesondere auch die mediale Berichterstattung, z.B. über den im März 2023 veröffentlichten und von vielen Prominenten unterzeichnete offene Brief für ein KI-Entwicklungsmoratorium oder über die Saga im November 2023, als Sam Altman (CEO Open AI) zunächst entlassen und kurz danach auf Druck von Investoren wieder eingestellt wurde. Auch für die Charakteristika a-e lassen sich Belege nennen, die den Schluss nahelegen, dass KI ein Tech-Blase ist.

Ich gehe darauf im Detail nicht ein, sondern überlasse es den Leser:innen, sich dazu eine Meinung zu bilden. Für mich stellt sich eher die Frage, ob Diskussionen zur Klärung, ob KI nur eine weitere Tech-Blase ist, im Hochschulkontext produktiv sind. Hier stehen wir, wie der aktuelle Monitor Digitalisierung 360° aufzeigt, an einer Stelle, wo sich die meisten Hochschulen bisher vor allem mit den Risiken von KI auseinandergesetzt haben.

Hilft es dann bei den anstehenden Herausforderungen, wie der Bereitstellung von KI-Systemen für Hochschulen, der Entwicklung von KI-Strategien, der hochschuldidaktischen Beratung oder beim Aufbau von Kompetenzen für Lehrende, Studierende und Verwaltungsmitarbeitende?

Gleichzeitig ist es wichtig, KI nicht als Ausnahme, sondern als Regel für das sozial-kulturelle Phänomen „Hype“ zu betrachten und sich an die großen Versprechungen früherer technologischer Lösungen aus dem Hochschulbereich zu erinnern und was aus ihnen geworden ist (beispielsweise E-Learning).

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