Das Regionalzentrum Stuttgart der FernUniversität in Hagen feierte letzten Freitag sein einjähriges Bestehen und lud mich dazu für einen Festvortrag ein. Für mich eine passende Gelegenheit, grundsätzlich über Open Education (OER, MOOC) und Fernstudium nachzudenken.
Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist der aktuelle Hype, der sich um offene Kursformate, wie den Massive Open Online Course #change11 oder den gerade abgelaufenen #opco12 entzündet hat. Gerade für Menschen, die im Kontext von Präsenz-Lehrformaten sozialisiert worden sind, scheint die Faszination für eine solche eigenverantwortliche Herangehensweise ungemein hoch zu sein, wie z.B. in dieser Abschlussbilanz zum Ausdruck kommt.
Dass aus MOOCs nun zunehmend Kapital geschlagen wird, zeige ich im nächsten Schritt. Es ist dann auch nicht sonderlich überraschend, dass mit dem MIT einer der Vorreiter der jüngeren Open Education Bewegung sich an der Entwicklung einer Plattform beteiligt, die MOOC dauerhaft anbieten und damit eine revolutionär radikal neue Zukunft der Bildung („The Future of Education“) ausrufen, wie in diesem kurzen Video-Clip zum Ausdruck kommt. Dieser Prozess des „Mainstreaming“ des originären MOOC-Konzepts wird kontrovers diskutiert, z.B. hier oder hier.
In meinem Vortrag mache ich dann auf einen Aspekt aufmerksam, der bisher viel zu kurz kommt, obschon seine Bedeutung für „neue“ Formen des offenen online Lehrens und Lernens auf der Hand liegen, nämlich das Lernen aus der Ferne. Fernstudium oder Distance Education, hat eine relativ lange Geschichte und Tradition, die University of London begann bereits 1858 mit einem Fernlehr-Programm. Der aus Deutschland stammende Pädagoge Otto Peters arbeitete ab den 1960er Jahren an einer theoretischen Fundierung und prägte den Begriff des „industrialisierten Lernens“ und übertrug Prozesse der Automatisierung, Arbeitsteilung und Skalierbarkeit auf den Fernunterricht. Nun können solche Begriffe sicherlich nicht länger zum Leitparadigma unserer Gesellschaft gezählt werden, dennoch stellen sie ernstzunehmende Versuche dar, das Fernstudium als eine gleichberechtigte pädagogische Form zu etablieren. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Delling mit der „helfenden Organisation„, die er als „Ensemble aus Personen, Maschinen und Materialien“ definierte. Praktisch umgesetzt wurde die helfende Organisation in Form der Regional- und Studienzentren. Nicht lehren, sondern unterstützen bei verschiedenen Fragen und Anliegen des Fernstudiums ist die zentrale Aufgabe.
Vor diesem Hintergrund wirkt es erstaunlich, mit welcher Theorielosigkeit die jüngsten Ausläufer der Open Education Bewegung zu Werke gehen. So wird viel von Facilitator, eine Art Lernbegleiter, gesprochen, der eine Reihe von Aufgaben wahrnehmen sollte (http://moocguide.wikispaces.com/6.+Facilitating+a+MOOC):
- Make sure all the facilitators know for which topic they are responsible
- Sit together with the facilitators before setting up the MOOC agenda
- Go through the online tools with the facilitators to ensure they know the affordances of the online tools
- Pinpoint synchronous sessions (ideally in different time-zones, allowing people from around the world to attend without them having to wake up during the middle of the night)
- Make sure everyone knows what is expected of their facilitator role
Auf dieser Webseite der FernUniversität in Hagen findet sich folgende Beschreibung des Aufgabenspektrums der helfenden Organisation:
In den Regional- und Studienzentren werden den Studierenden
Fachliche Betreuung (z.B. regelmäßige Betreuungsveranstaltungen zu Modulen/Kursen, Kompaktveranstaltungen, Klausurvorbereitungen),
Veranstaltungen der Allgemeinen Studienberatung (z.B. Start it up, Lern- und Arbeitstechniken etc.) und Veranstaltungen der Fakultäten/Lehrgebiete (Präsenzveranstaltungen, Videostreamings etc.) offeriert.
Der Lernraum „Virtueller Studienplatz“ und weitere neue Medien wie z.B. „moodle“ runden das Angebot ab.
Es scheint somit nicht besonders ungerechtfertigt, die an einer helfenden Organisation arbeitenden Personen als „Facilitator“ im Sinne des MOOC-Konzepts zu begreifen. Und warum dann nicht konsequenterweise die Tradition der Fernlehre für die (Weiter-)Entwicklung von offenen Lernangeboten nutzen? Warum nicht einen „Blended MOOC“ für das Fernstudium aufbauen? An dieser Idee der Vermischung traditioneller akademischer Lehre und innovativen netzbasierten Lernformen hat Johannes Moskaliuk mit dem #ocwl11 gearbeitet, hier eine aktuelle Präsentation. Für das Fernstudium wäre es jedoch Neuland und wie ich den anregenden Diskussionen im Anschluss an meinen Vortrag entnehmen konnte, sicherlich auch ein lohnenswertes Vorhaben.
Die Präsentation meines Festvortrags findet sich hier.
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