Bildungspfennig oder Kulturflatrate? Was ist uns Bildung wert?

Gegenwärtig wird (wieder einmal) viel über den Wert von Bildung in unserer sog. Wissensgesellschaft diskutiert. So kann sich z.B. der DFG-Präsident Kleiner einen Bildungspfennig (neudeutsch Wissens-Cent (?) und in Anlehnung an den „altdeutschen“ Kohlepfennig), also eine Art Bildungs-Soli vorstellen. Der Lehrer Peter Georg (sowohl Gema- als auch Piratenparteimitglied [sic]) fordert in der FAZ  eine unbürokratische Kulturflatrate.
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Vor dem Hintergrund der seit dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert gängigen Bildungspolitik sind diese beiden Vorschläge konsequent: Staatlicher Eingriff auf und Regulierung von Bürgern und von Bildung. Aus bildungswissenschaftlicher Perspektive wird damit jedoch ein Widerspruch impliziert, denn Bildung ist qua definitionem eine individuelle und damit nicht von außen steuerbare Aktivität. Somit ist eine allgemein verordnete Abgabe ungerecht, denn damit kann kein verbindlicher Anspruch auf Bildung und die damit (erhofften) Vorteile abgeleitet werden. Es obliegt vielmehr dem Individuum selbst, wie sie/er Bildung gestaltet, d.h. es gibt keine „Erfolgsgarantie“, denn Bildungsprozesse sind prinzipiell nicht organisierbar. Was dagegen organisierbar wäre, ist die Verfügbarkeit von Materialien, kulturellen Ressourcen und Informationen, die Bildungsprozesse anregen. Hier bieten sich mit den offenen digitalen Bildungsressourcen (OER) viel versprechende Möglichkeiten. Wie ich hier und hier versucht habe aufzuzeigen, bereichern sich OER und Bildung in mehrfacher Weise. So können beispielsweise OER in gewisser Weise verstanden werden als die digitale Repräsentation unser Welt, die wir für Bildungsprozesse auf vielfältige Weise ver- und bearbeiten oder wie Humboldt in seinem berühmten und sperrigen Zitat aus seiner „Theorie der Bildung des Menschen“ feststellte:

„Die letzte Aufgabe unsres Daseins, dem Begriff der Menschheit in unserer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung.

Die Chancen, die sich mit OER nun bieten sind enorm, gerade weil jeder einzelne davon betroffen ist. Auch ohne staatliche Unterstützung kann damit eine Bildungslandschaft entstehen, die den Namen Wissensgesellschaft zu Recht trägt und die sich der Bedeutung des freien und offenen Zugangs zu kulturellen Ressourcen bewusst ist.

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Keine Kommentare

  1. Ich stimme dem Geschriebenen zu – fehlt aber nicht die Überlegung wer sich denn selber bilden möchte und kann? Welche Voraussetzungen benötigen wir für unsere Bildung? „…die Verfügbarkeit von Materialien, kulturellen Ressourcen und Informationen, die Bildungsprozesse anregen.“ … genau diese kosten (teilweise) Geld. Also die technische Ausstattung und die Kompetenz oder Qualifikation um die zur Verfügung zu stellenden Materialien auch nutzen zu wollen und zu können.
    Wenn immer noch 63% der Lehrenden sich nicht auf die (digitale) Ebene der Schüler und Studenten einlassen können oder wollen, wie sollen diese dann benötigte Kompetenzen und Qualifikationen erwerben um die offenen Ressourcen nutzen und sich bilden zu können?

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