Gerade bin ich auf diesen Aufruf zur Blogparade „Wie sieht das Lernen im Jahr 2020 aus“ gestoßen und schon juckt es in meinen Fingern. Also los, rein in die Tasten gehauen.
Starten wir zunächst mit einem Blick auf die aktuelle Situation, also der Gegenwart. In Deutschland wird von allen Seiten, am liebsten natürlich von der Politik, von Bildung im Zusammenhang mit erwünschten Zuständen oder Zielen gesprochen: Bildungsgerechtigkeit, Bildungsoffensive und natürlich Bildungschancen.
Doch wie ist es um diese Chance auf Bildung wirklich bestellt? Wie auf diesem Graffiti zu sehen, wohl nicht so gut. Warum das so ist, nun dafür gibt es mehrere Gründe. Allen voran wohl der sozio-ökonomische Status und das Milieu, aus dem man oder frau kommt. Steigende Kosten für Studiengebühren und Lernmaterialien (Lehrbücher etc.) sorgen für dann auch für ungleiche Startvoraussetzungen.
Damit sich dieser Zustand nicht weiter verfestigt und das System zementiert, arbeiten seit einigen Jahren Institutionen, Verbände und Einzelpersonen an Alternativen. Es geht darum, neue Perspektiven der traditionellen und wie in Stein gemeiselten Sichtweisen zu eröffnen. Warum z.B. müssen hunderte von Menschen sich zusammen in einen Raum quetschen, um dort mehr schlecht als recht den Ausführungen eines Gelehrten zu lauschen? Dies scheint gerade in Zeiten der Massenuniversität mit all ihren negativen Begleiterscheinungen (wie hier von der SZ beschrieben) höchst fragwürdig. Auch begleiten uns doch ständige unsere Smartphones, Netbooks und TabletPCs und geben uns Zugang zu einem nahezu unerschöpflichen Reservoir an Informationen.
Dies haben wohl schon einige andere erkannt und so wurde das Konzept „Flipped Classroom“ geboren, mit dem Ziel, den eher passiven Frontalunterricht durch aktivere Lernformen zu ersetzen. Erste Erfahrungen gibt es dazu bereits aus Deutschland, in dieser Pressemitteilung berichten drei Professoren über ihre Eindrücke, die zu folgender Schlussfolgerung führt:
„Über 90 Prozent der Studierenden würden dieses Veranstaltungskonzept weiterhin wählen, wenn man sie vor die Wahl stellen würde“
Doch Flipped Classroom ist nicht die einzige Neuerung, gibt es doch eine weltweite Bewegung zur Öffnung des Bildungssystems, die als Open Education in den 1960er und 1970er Jahren in Großbritannien und den USA begann und sich seit ca. 10 Jahren rasant verbreitet hat. Maßgeblich verantwortlich dafür sind die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien („Web 2.0“, Social Media), die für eine starke Vereinfachung nicht nur der Produktion, sondern auch der Weitergabe von Lernmaterialien sorgten. Damit wurden die sog. Open Educational Resources (OER) geboren und durch namhafte Institutionen wie dem MIT oder der Open University UK weiter ausgebaut. Sie vollzogen einen wirklich radikalen Schritt, denn alle Inhalte der Kurse wurden von nun an vollkommen frei zugänglich gemacht, z.B. auf der Plattform OpenLearn (über 600 Kurse online).
Ein weiterer, öffnender Schritt waren dann die Massive Open Online Courses (MOOC), freie Online Lehrveranstaltungen und offen für alle interessierte zu bestimmten (meist technik-affinen) Themen. Zum Teil nahmen über 100.000 Personen teil und arbeiteten über ein halbes Jahr zusammen, wie z.B. im MOOC #change11. In Deutschland ist dies als Open Course bekannt geworden und wird aktuell als #opco12 „Trends im E-Teaching“ durchgeführt. Die überwältigende Resonanz veranlasste Professoren der US Elite-Hochschulen zur Gründung von Spin-off Unternehmen wie Coursera oder Udacity. Es ist eine wirklich erstaunliche Entwicklung, die zu spannenden Reflexionen anregt, wie ich hier bereits gezeigt habe.
Was folgt nun daraus für die Zukunft des Lernens? Open Education ist ein gewaltiger Trend, der auf unterschiedliche Weise zu Transformationen des pädagogischen Systems und der Art und Weise wie wir lernen führt. Zwar sind noch etliche Klippen zu umschiffen, wie z.B. das aktuell heiß diskutierte Thema „digitale Lehrmittelfreiheit“ (siehe dazu dieses White Paper), doch es entsteht ein kontinuierlicher Druck von mehreren Seiten, der zusammengenommen hilft, dass Open Education mehr und mehr in den Köpfen ankommt und zu nachhaltigen Veränderungen führt. Die umfassenden weltweiten Aktivitäten sind in diesem aktuellen Report „Survey on Governments’ Open Educational Resources (OER) Policies“ gebündelt. Positive Signale sind darüber hinaus aus der Gruppe der LehrerInnen zu spüren.
Verbunden damit ist die Hoffnung, Lernen und Bildung wirklich für alle zu ermöglichen, Mauern einzureißen und Grenzen zu überwinden, die uns zu lange Zeit schon aufgehalten haben. Wie sagte doch schon vor über dreißig Jahren Charles Wedemeyer in seinem berühmten Buch „Learning at the Back Door“ zu den als Mythen geltenden Praktiken des Lehrens und Lernens:
„they are appallingly misleading, because of the narrow and restrictive conceptions about teaching and learning which they perpetuate: that teaching and learning always occur together, in an institutionalized relationship, fixed in a place-time environment which teacher and learner share together… None of these assumptions fits reality. More teaching and learning go on more teaching and learning go on – throughout life – outside the classroom than in; yet the myth persists.“