Der Beitrag von Herrn Larbig „Was Tweets und Postings auf Facebook mit Strukturen der Bildung zu tun haben. Ein Versuch“ ist eine Analyse der Debattenkultur über „digitale Bildung“ der letzten 10-15 Jahre. Ausgangspunkt ist die Verschiebung von Kommunikation von Web 2.0 Instrumenten wie Blogs zu Plattformen wie Facebook und Twittern mit den dadurch verbundenen medientechnischen Implikationen. Was McLuhan vor vielen Jahrzehnten feststellte, gilt auch heute noch: „The Medium is the Message“.

Es sind aber nicht nur die Trolle und Hater, die auf Social-Media-Plattformen für eine Verrohung der Sitten sorgen, sondern eine generelle Oberflächlichkeit der Diskussionen. Am Beispiel des „Twitterlehrerzimmer“ versucht Herr Larbig dies zu verdeutlichen, da dort eher instrumentelle Fragen („Wie nutze ich Tool XY am Besten im Unterricht?“) gestellt werden und es weniger zu grundlegenden didaktischen Debatten kommt, die sich um das Große und Ganze der Digitalisierung drehen. [In diesem Zusammenhang wichtig sind die Hintergründe und die kurze Geschichte des „Twitterlehrerzimmer“, die Philippe Wampfler hier und hier sehr gut aufarbeitet.]

Fragen zur Didaktik würden so die Vermutung von Herrn Larbig oft als persönlichen Angriff (miß-)verstanden, der die Person in Erklärungsnöte bringt. So wie ich es verstehe, geht es dabei auch um grundlegende pädagogische Werte und Haltungen der Pädagog*innen. Hier scheint es eine Lücke zu geben, die von der Bildungswissenschaft nur zögerlich erkannt wird. Es fehlen bildungsphilosophisch und -theoretisch unterfütterte Angebote zur Orientierung für Lehrkräfte im Hinblick auf die großen Fragen. Diese betreffen nicht nur die Digitalisierung und dessen theoretischen Unterbau, sondern auch gesellschaftspolitische Aspekte wie Inklusion/Ausgrenzung. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, der aber durch bestimmte Strukturen erschwert wird. (Das kann ich aus Sicht der Hochschullehre und am Beispiel der FernUniversität in Hagen nachvollziehen). Dagegen verspricht das Stellen einer Frage bei Facebook oder Twitter (#Lehrerzimmer) zumindest kurzfristigen, pragmatischen Erfolg. Damit bleibt aber die grundlegende Perspektive – Warum machen wir das? Wie soll die Bildung in 10, 15, 30, 50 Jahren aussehen? – wieder ausgeblendet…

Es ist eine merkwürdige Gemengelage, auf der einen Seite die „alten“ Strukturen von Bildungseinrichtungen und auf der anderen Seite Reformen, Maßnahmen und Initiativen zur Ausgestaltung der digitalen Transformation (ein Beispiel aus der Hochschullandschaft ist das Hochschulforum Digitalisierung).

Zwei Punkte möchte ich hier noch hinzufügen:

Es gibt einen begründeten pädagogischen Konservatismus, der sich insbesondere in der Beharrlichkeit der Verwendung von Lehrbüchern und Vorlesungen ausdrückt. Norm Friesen hat das sehr schön in seinem Buch „The Textbook and the Lecture“ herausgearbeitet. Er wirft die kontra-intuitive Frage auf: Warum bleibt so vieles in der Pädagogik unverändert/unveränderbar? Mit einer medienphilosophischen Perspektive zeigt er, wie sehr Pädagogik mit den grundlegenden Technologien Text und Schreiben verbunden ist. Hier liegen auch Begründungsmuster für die Zwecke von Pädagogik vergraben. Das heißt wenn wir mehr Klärungsarbeit investieren, was Pädagogik ist und leisten kann, lassen sich solche von Friesen aufgedeckten Zusammenhänge besser einordnen und es lässt sich gelassener und argumentativ gestärkter in den diskursiven Dschungel der Digitalisierung begeben.

Was ich kürzlich beim Digital Pedagogy Lab in den USA an Diskussionskultur erlebt habe (siehe hier meinen Bericht), hat mich angespornt, diesen kritischen Geist nach Deutschland zu übertragen. Stark inspiriert von der Kritischen Pädagogik werden Konversationen geführt, die konstitutiv mit den großen Fragen unserer Zeit verbunden sind.

Ganz in diesem Sinn darum auch meine Bitte um Kommentare, Feedback, Fragen usw. Seht ihr das ähnlich? Wie lässt sich ein grundlegender Diskurs vor dem Hintergrund der komplexen, widersprüchlichen Bedingungen unserer Zeit organisieren und führen? Welche Fragen sollten verhandelt werden? usw.

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