Ich bin über den Podcast The World of Higher Education, den hin und wieder höre, auf die Episode Illiberal Universities gestoßen und habe mich von dort aus etwas tiefer mit dem Thema beschäftigt.

Um was geht es?

In ihrem Beitrag für University World News beschreiben Jo-Anne Dillabough und Andrea Peto das Phänomen:

Instead of new, critical institutions, today we witness a new wave of universities founded on the virtue platforms of the global ultra-right which seek to capture the space of the university as a modern institutional form but fill it with their own ideological warfare, serving as a planned attack on liberal political perspectives and creating and fighting culture wars.

Illiberale Hochschulen sind konstitutiv für autoritäre Staaten – bislang beziehen sich die Beispiele daher insbesondere auf Ungarn – und deren Versuche, die liberale Demokratie zu untergraben und auszuhöhlen. Denn Universitäten und Hochschulen stehen für akademisches Kapital also eine Form von Autorität, die zwar seit einiger Zeit zunehmend in Frage gestellt wird, aber noch ein wirksames Instrument für einen illiberalen Take Over ist.

Der damit verbunden Prozess lässt sich nach Pető [1] wie folgt verstehen

Via academic authorization, science policy secures the legitimacy of all other illiberal states’ activities. Illiberal politicians and oligarchs alike recognized the importance of educational institutions as sites of knowledge production and transfer, training of loyal supporters, academic authorization, and dissemination of ideas abroad.

Das Wissenschafts- und Hochschulsystem ist also ein wichtiger Treiber für den Auf- und Ausbau illiberaler Staatsformen.

Ähnlich wie Porlinge, die einen bereits geschwächten Baum befallen, nisten sich illiberale Institutionen in einem angeschlagenen Wissenschaftssystem ein.

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Die Wissenschaftlichkeit fungiert als Nährstoff für die Pilze und deren einziger Zweck ist es, sich weiter zu vermehren. Es geht aber auch um Geld, sehr viel Geld.

So bekam etwa das Mathias Corvinus Collegium, ein zentraler Player innerhalb der illiberalen Hochschulen, von der ungarischen Regierung 1,3 Mrd. EUR Subvention – das ist mehr als das Jahresbudget des gesamten ungarischen Hochschulsektors [2]. Als Think Tank und Kaderschmiede wirkt es mittlerweile über die Grenzen von Ungarn hinaus (s.u.).

Wie entstehen illiberale Hochschulen?

Um im Bild von oben zu bleiben, der zunächst starke Baum „Wissenschaftssystem“ wird von Pilzen befallen und seiner Wirksamkeit beraubt. Das betrifft etwa Qualitätsstandards von Forschung und Lehre, akademische Freiheit oder die Autonomie von Hochschulen. Die staatlichen Mittel und die Gehälter der im Wissenschaftssystem tätigen Personen werden gekürzt und es wird auf das Vokabular neoliberaler Wissenschaftspolitik zurückgegriffen.

Die neu gegründeten Einrichtungen verstehen sich als Tugendplattformen und treten nicht für akademische Werte ein, sondern für ein erzkonservatives Weltbild. Dementsprechend ist die Währung zum Eintritt und Aufstieg in illiberalen Hochschulen nicht der akademische Lebenslauf, sondern die Loyalität mit dem Regime. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird angegriffen, insbesondere stehen die Critical Race Theory oder die Gender-Forschung auf der Zielschreibe. Die autoritären Staaten mit ihren illiberalen Organisationen sehen sich in einem Kulturkrieg und rüsten sich dementsprechend ideologisch auf.

Dazu gehört etwa die Förderung sog. heterodoxer Wissenschaften – ein Phänomen, das ähnlich wie die Glaubwürdigkeitskrise orthodoxer Religionen wie dem Christentum sich auch im Wissenschaftsbereich findet. Peter Thiel, für viele schlimme Dinge berühmt berüchtigt, ist auch hier vorne dabei und unterstützte bereits 2016 einen Kurs für heterodoxe Sozialwissenschaft.

Eine wichtige Funktion beim Auf- und Ausbau illiberaler Einrichtung ist das sog. Dark Money, d.h. Geld, das auf intransparenten Wegen in die Politik fließt.

Auswirkungen für das deutsche Hochschulsystem

Noch ist Ungarn der bestimmende Experimentalraum für die Umsetzung autoritärer Maßnahmen im Hochschulbereich. Die Bewegung schwappt aber auch schon nach Deutschland über:

Was ist zu tun?

Ich bin durch die Universität Prä-Bologna-Reform sozialisiert worden und habe die akademischen Werte und den Umgang miteinander schätzen gelernt. Die Offenheit gegenüber anderen Positionen, die kritische Reflexion von Argumenten und die Bereitschaft, meine Argumentation im Verlauf einer Diskussion zu ändern, sind einige Beispiele für eine akademische Kultur, die unter Beschuss geraten ist. Die Spielregeln haben sich verändert, wenn politische Absichten im Namen der Wissenschaftsfreiheit verschleiert werden. Nicht mit der Kraft von Argumenten sollen andere überzeugt werden, sondern durch finanziell gut ausgestattete Kampagnen. Die Debatten sind heute oft moralisch überfrachtet und mit dem Vorwurf, nur eine Ideologie zu verfolgen, lassen sich sachlich stichhaltige Argumente bequem aus dem Weg räumen.

Zwei Dinge sind es darum, die nun wichtig sind:

  1. Aufdecken der neuen Spielregeln, d.h. die politischen Absichten, die vorgefertigten Meinungen und die mangelnde Bereitschaft, offen mit anderen zu debattieren sind zu dechiffrieren.
  2. Einhalten der alten Spielregeln, d.h. sich auf die akademischen Werte zu besinnen, die bei vielen so wie bei mir Teil der Sozialisation sind.

Literatur

[1] A. Pető, „Current Comment: The Illiberal Academic Authority. An Oxymoron?“, Ber Wissenschaftsgesch, Bd. 44, Nr. 4, S. 461–469, Dez. 2021, doi: 10.1002/bewi.202100013.

[2] A. L. Pap, „Academic Freedom in a Hybrid Illiberal Regime: Risks, Threats and Resources for Resilience“, Journal of Legal Education, Bd. 72, Nr. 1–2, S. 96–112, 2023.

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