Der Forschungsgipfel 2017, ausgerichtet vom Stifterverband, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), stand unter dem Motto “Aufbau einer neuen Innovations- und Wagniskultur” und arbeitete sich eher klassisch in Form von Keynotes, Blitzlichtern und Inner Circle Diskussionsrunden am Thema ab. Die Foren waren hochkarätig besetzt mit Vertreter/innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft (u.a. BM Altmaier) und boten dank einer engagierten Moderation einen vielfältigen Einblick in die aktuelle Diskussion.
Bereits zu Beginn waberte der Geist der disruptiven Innovation durchs Allianz Forum, der dann im weiteren Verlauf immer wieder beschworen und angerufen wurde. Es blieb aber eher diffus gespenstisch, ohne klar herauszuarbeiten, was mit “disruptiver Innovation” genau gemeint ist. Wo kommt der Begriff her und warum soll sich damit ein Forschungsgipfel beschäftigen? Das waren Fragen, die zu Beginn diskutiert werden sollten, um von dort aus eine systematische Debatte führen zu können.
Stattdessen wurde eher affirmativ denn aufklärerisch argumentiert und eine hohe Schlagzahl vorgegeben. Es braucht nichts weniger als eine radikale Innovation, um den Anschluss an andere Märkte (USA, Asien) nicht zu verpassen. Die Politik ist damit aufgefordert, geeignete Rahmenbedingungen für mehr Innovation und Unternehmertum (sog. Entrepreneurship) in Deutschland zu schaffen. Als ikonisches Leitild dient das Silicon Valley mit seiner ausgeprägten Start-up-Kultur, da sie durch ihre konsequent auf Innovation ausgerichtete Mentalität überkommene Strukturen und Konventionen durchbrechen und den Weg frei für völlig neue Geschäftsmodelle machen können.
Damit war die Marschroute für den Tag vorgegeben, der Blick ging nach vorne und suchte in den verschiedenen Panels nach Treibstoff für die Transformation. Die Anschlussfähigkeit der Diskussion, sowohl für den äußeren Kreis (der im Verlaufe des Tages leider nicht zu Wort kommen durfte) sowie für die interessierte Öffentlichkeit, könnte erhöht werden, indem man an folgenden Punkten arbeitet:
- Breite, partizipative Verständigung über die Ziele und die Art, wie digitale Transformation gestaltet werden kann. Die gegenwärtige Diskussion ist bestimmt von Vordenker/innen wie Peter Thiel oder Elon Musk, die aufgrund ihrer finanziellen und organisatorischen Ressourcen eine privilegierte Stellung haben und dadurch von den Medien als eine Art personifizierte Regierungssprecher der Technik gemacht werden. Dadurch haben es andere Akteur/innen schwer, sich in die Debatte einzumischen. Dies ist jedoch wichtig, da die sog. digitale Transformation – wie immer wieder betont wird – die gesamte Gesellschaft tangiert.
- Mut zur Gelassenheit. Der selbstauferlegte Druck zur (radikalen) Veränderung von fast allen Konventionen ist mittlerweile immens geworden und kann zu einer hektischen Betriebsamkeit führen. So schrieb etwa Paul Krugman letztes Jahr in der New York Times: “So what do I think is going on with technology? The answer is that I don’t know — but neither does anyone else. Maybe my friends at Google are right, and Big Data will soon transform everything. Maybe 3-D printing will bring the information revolution into the material world. Or maybe we’re on track for another big meh. What I’m pretty sure about, however, is that we ought to scale back the hype.” Es geht dabei nicht darum, technologische Innovationen zu ignorieren oder per se abzulehnen, sondern ihnen mit einer reflektierteren Haltung entgegenzutreten, die sich auch der eigenen kulturellen Wurzeln bewusst ist.
- Den Blick zurück werfen. Die aktuelle Fokussierung auf das Silicon Valley als Tempel der Innovation verstellt den Blick auf die Entstehungsgeschichte. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, wie und warum es zu bestimmten Entwicklungen gekommen ist, insbesondere um Alternativen dazu entwerfen zu können. Für das Silicon Valley mit ihrem Glaube an technische Lösungen für (zum Teil noch gar nicht bekannte) Probleme (Solutionismus) ist dies als Kalifornische Ideologie identifiziert worden. Im Fall des Buzzwords “disruptive Innovation” ist der Artikel im New Yorker “The Disruption Machine” empfehlenswert, da er aufzeigt, wie inflationär inzwischen mit dem Begriff gearbeitet wird. So wird versucht argumentative Bezüge herzustellen, die so keineswegs in der Ursprungsidee enthalten sind.
Somit bleibt für mich ein eher gemischter Eindruck. Einerseits boten die Panels gute Einblicke in die verschiedenen Aktivitäten, Innovation kulturell und institutionell zu fördern. Dem steht auf der anderen Seite ein Mangel an Partizipation gegenüber, da die “Inner Circles” keine “strukturelle Kopplung” mit der Außenwelt hatten.